Angesichts des anhaltenden Wohnungsmangels in Deutschland hat der Bundestag am 9. Oktober 2025 den sogenannten „Bauturbo“ beschlossen. Das Gesetzespaket, dessen Kernstück der neue Paragraph 246e im Baugesetzbuch (BauGB) ist, soll Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau deutlich verkürzen. Die Regelung gilt als Experimentierklausel und ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet.
Kernpunkte des Gesetzes
Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt dürfen künftig von vielen Vorgaben des Bauplanungsrechts abweichen. Ziel ist es, den Bau, die Erweiterung oder die Umnutzung von Wohngebäuden zu beschleunigen. Statt langwieriger Bebauungsplanverfahren, die oft bis zu fünf Jahre dauern, soll eine Genehmigung nach Zustimmung der Gemeinde und der Bauaufsicht wesentlich schneller erfolgen.
Eine sogenannte Genehmigungsfiktion besagt: Wenn die Kommune innerhalb von drei Monaten nicht widerspricht, gilt ein Bauantrag automatisch als genehmigt. Erleichtert werden sollen zudem die Aufstockung von Gebäuden – etwa über Supermärkten –, die Nachverdichtung in zweiter Reihe sowie der Wohnungsbau durch gelockerte Lärmschutzvorgaben.
Reaktionen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft
Die Verbände und Institutionen reagieren zwar verhalten positiv, aber auch mit Kritik, Forderungen und Skepsis. Ein breiter Konsens besteht darin, dass der Erfolg des Gesetzes stark von der Umsetzung durch die Kommunen abhängt.
Die entscheidende Rolle der Kommunen
Dirk Salewski, Präsident des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, betont: „Der Schlüssel zum Erfolg des Bau-Turbos liegt in den Kommunen.“ Nur wenn die neuen Möglichkeiten vor Ort genutzt würden, könne das Gesetz wirken. Er begrüßt daher die Pläne der Bundesregierung, die Kommunen mit Leitfäden und Handlungsempfehlungen zu unterstützen.
Ähnlich äußert sich Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Er warnt: „Wenn die kommunalen Spitzen nicht mitziehen, bleibt das Gesetz ein Papiertiger.“ Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hebt hervor, dass die Umsetzung stark vom Willen der Gemeinden abhängt.
Dr. Wulff Aengevelt von Aengevelt Immobilien befürchtet zudem eine schlechte Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden. Dies könne den Prozess verlangsamen und den Effekt des Gesetzes abschwächen.
Ein wichtiger Schritt, aber …
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), nennt den Bauturbo einen „wichtigen Schritt“. Gleichzeitig warnt er: „Der beste Turbo nützt nichts, wenn der Tank leer ist.“ Schnellere Planungen allein reichten nicht aus, wenn wegen hoher Baukosten, steigender Zinsen und zu viel Bürokratie keine Bauanträge gestellt würden. Ohne bessere Rahmenbedingungen drohe der Wohnungsbau zum Stillstand zu kommen.
Auch Axel Gedaschko vom GdW sieht den Bauturbo nicht als umfassende Lösung. Für ihn ist es eher ein „Bauland-Turbo“, der vor allem die Ausweisung von Flächen beschleunige. „Damit ist aber noch lange nichts gebaut“, sagt er. Er fordert daher weitergehende Maßnahmen – etwa eine „Fast Lane fürs Wohnen“, die dem Wohnungsbau rechtlichen Vorrang einräumt, ähnlich wie bei Windenergieprojekten.
Spezifische Risiken und offene Forderungen
Der Eigentümerverband Haus & Grund warnt vor möglichen Risiken. Präsident Kai Warnecke bezeichnet die Reform als potenziellen „Risiko-Turbo für private Eigentümer“. Kritisch sieht er den neuen Paragrafen 216a BauGB. Dieser erlaubt es Behörden, bei gerichtlich aufgehobenen Bebauungsplänen die Kosten für nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen auf Eigentümer abzuwälzen. „Wer fehlerhaft plant, muss auch zahlen, nicht die späteren Käufer“, fordert Warnecke.
Forderung nach Kontrolle und Nachsteuerung
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) vermisst ein Instrument zur Überprüfung der Wirkung. „Ohne Evaluierung bleibt der Bauturbo bloß ein Versprechen – wir brauchen aber auch einen Tacho, nicht nur das Gaspedal“, erklärt Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan. Eine verpflichtende Evaluierungsklausel sei notwendig, um Ergebnisse zu messen und Anpassungen vorzunehmen.
Auch der BFW sieht wichtige Stellschrauben unberührt. Dazu gehören die nicht einklagbare Zustimmung der Gemeinden und die kurze Befristung der Regelung.
Fazit: Ein Impuls …
Insgesamt gilt der Bauturbo als sinnvoller Impuls für den Wohnungsbau. Er kann Verfahren beschleunigen und neue Handlungsspielräume eröffnen. Doch sein Erfolg hängt stark von der Umsetzung vor Ort und den allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen ab.
Quellen:
- BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen
- GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
- ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss
- Aengevelt Immobilien
- Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB)
- Haus & Grund Deutschland
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