Seit 2003 sorgt der im Herbst 2002 gegründete „Rat der Immobilienweisen“ durch seine Frühjahrsprognosen für mehr Transparenz auf den Immobilienmärkten. Mit den damals erstmals erfassten Daten zu Bruttoproduktionswert, Beschäftigten und Immobilienbestand sollte auch die Immobilienwirtschaft als einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung besser verankert werden. Mitglieder des Rats der Immobilienweisen sind Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld (Walter Eucken Institut), Michael Gerling (EHI Retail Institute), Sven Carstensen (bulwiengesa), Prof. Dr. Harald Simons (empirica) und Carolin Wandzik (GOS).
- Gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Bauinvestitionen unattraktiv wie lange nicht
- Büroimmobilien: bisher relativ robuste Reaktion auf die konjunkturellen UnsicherheitenUnternehmensimmobilien: krisenresilient, aber Belastung durch Rezession möglich
- Logistikimmobilien: Nachfrage trotz Umbrüchen in der Logistikwirtschaft ungebrochen hoch
- Hotelimmobilien: noch unklare Perspektiven mit möglicher Umkehr vom Vermieter- zum Mietermarkt
- Einzelhandel: stationärer Einzelhandel hat sich besser entwickelt als der Onlinehandel
- Gesundheits- und Sozialimmobilien: nachfrageseitig sehr stabiles Segment mit wachsenden Angebotslücken
- Wohnimmobilien: erreichbare Mieten beim Wohnungsbau unterhalb der Kostenmieten, Projektkalkulationen zerbröseln
- Innenstadtentwicklung: strukturelle Herausforderungen durch temporäre Krisen vergrößert
Kernsignale dieser Analyse
ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen heute Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. Kernsignale dieser Analyse: Bauinvestitionen sind in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft regelrecht zerbröseln. Der gewerbliche Immobilienmarkt gilt in weiten Teilen nach wie vor als robust; angesichts stark gestiegener Energiekosten rücken hier zunehmend die Energiebilanzen der Gebäude in den Fokus.
Beim Wohnungsbau aber zeichnet sich eine zunehmende Dramatisierung ab. Erreichbare Mieten liegen nun immer häufiger unterhalb der Kostenmieten. Der ZIA fordert angesichts der immer schärferen Zuspitzung der Lage einen „radikalen Abschied von finanziellen und regulatorischen Begrenzungen, mit denen staatliche Akteurinnen und Akteure die Immobilienwirtschaft in Krisenzeiten zusätzlich ausbremsen“. Mattner: „Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir ein Wohnungs-Debakel in 2025 nicht mehr abwenden können. Hier ist es nicht mehr fünf nach zwölf, sondern Viertel nach drei, und es wird um sechs ein unangenehmes Erwachen geben.“
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen Wendepunkt für Europa und nimmt starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung“, kommentiert Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, der in dem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage analysiert hat, die Veränderungen. Er hält fest: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“
Bauinvestitionen sind so unattraktiv wie seit langem nicht mehr
Ein Befund Felds mit Blick auf die Branche. Bauinvestitionen sind aktuell so unattraktiv wie seit langem nicht mehr. Seine Analyse: „Vielen Projektentwicklern und Wohnungsunternehmen fehlen die Anreize zu bauen, weil zum einen die Aussicht auf sinkende Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Baukosten und teuren (Zwischen-)Finanzierungen riskant ist. Zum anderen ist die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen gering, und das schmälert die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen.“
Mattner: „Stopp beim Wohnungsneubau ein Menetekel“
Der Stopp großer Akteure beim Wohnungsbau sei möglicherweise „ein Menetekel“ für die Entwicklung der Branche, warnt Mattner. Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes sei, speziell im Büro und Logistikbereich und bei modernen Gebäuden mit energetischen Nachhaltigkeitsstandards, zwar weiter gegeben. Für den Bereich Wohnen aber könnte die wachsende „Wirtschaftlichkeitslücke“ eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen.
„Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor. Im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung. Für 2025 könnte das Gap aus ZIA-Sicht bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Mio. Menschen liegen“, so Mattner. „Das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“
Wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Deutschland Hilfe suchen, ist der Bedarf zusätzlich gestiegen. Der dramatische Mangel ist umso ernster; als erschwinglicher, klimagerechter Wohnraum zu den Basics eines guten Zusammenlebens der Gesellschaft gehört. „Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird“, warnt Mattner. Mit konventionellem Wohnungsbau mit „X Jahren Genehmigungsvorlauf und mindestens zwei Jahren Realisierungszeit“ sei selbst bei einem Start in diesem Februar eine Fertigstellung 2025 schon nicht mehr zu schaffen.
Eine weitere Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt sei daher eine „sehr konkrete Gefahr“, aber „eben kein Automatismus“, betont Mattner mit Blick auf Prof. Felds Prognose einer allenfalls kurzen und milden Rezession.
Der konventionelle Wohnungsbau komme nur noch durch einen Dreiklang aus:
- Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote am Produkt,
- Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
- Verzicht auf eine weitere Begrenzungen der Einnahmeseite
Dafür fordert Mattner den Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.
Weitere ZIA-Forderungen:
- Die Umsetzung von seriellem und vor allem modularen Bauen auf breiter Front. Mattner: „Das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen hat zahlreiche Verbesserungen für diese Bauweise wie die Typengenehmigung bereits auf den Weg gebracht. Jetzt braucht es die Umsetzung ohne Verzug.“
- Einen schnellen Anlauf bei der Neubauförderung mit einem Volumen von insgesamt 10 Milliarden Euro jährlich
- Eine Ausweitung der KfW-Kredite zur Vergrößerung des finanziellen Spielraums
- Eine degressive Sonder-AfA, die den Namen verdient
- Die Öffnung von § 246 des Baugesetzbuchs als generellen Freiraum für einfachen, schnellen und bezahlbaren Wohnungsbau (§ 246 wurde ursprünglich als Sonderregelung eingeführt für Flüchtlingsunterkünfte)
- Intelligente Lösungen, um die Klimaziele mit einem Kostenrahmen zu erreichen, der leistbar ist
Bundesbauministerin Klara Geywitz habe sich immer wieder offen gezeigt für die Fakten der Praktikerinnen und Praktiker, so Mattner. Für den Bereich Wohnen aber müsse der Bundeskanzler die Wende zur Sache der gesamten Regierung machen, wie er dies einst in seiner Regierungszeit in Hamburg erfolgreich getan habe. Es sei an der Zeit, „unangenehme Wahrheiten auszusprechen“, sagte Mattner. Der Staat selbst müsse auf breiter Front „Abschied nehmen vom Modell ‚Kassieren und Regulieren‘“. Bislang habe Politik Mangel allzu oft mit Regulierung beantwortet und damit das Problem vergrößert, weil so weniger Wohnungen entstünden.
Fazit des ZIA-Präsidenten angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen: „Wir sind zu spät gekommen, uns bestraft schon das Leben – beim Wohnungsmarkt geht es inzwischen ums Überleben.“
Das vollständige Frühjahrsgutachten 2023 sowie die Zusammenfassung finden Sie hier.
Quelle: Presse ZIA, 15. Februar 2023, Frühjahrsgutachten 2023
Die IMMOVATION-Anleihe 12/2023
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Bildquellen:
- ZIA Frühjahrsgutachten: © Image licensed by Ingram Image/adpic