Zum Jahresende 2019 fand im Hotel Ambassador in Baunatal eine Pressekonferenz des Laufteams Kassel statt. Anlass war der Rückblick auf das erste Vereinsjahr. Und was für ein Auftakt das war! Auch die anwesenden Sponsoren waren begeistert: Lars Bergmann, Vorstand der IMMOVATION AG und Georg von Meibom, Geschäftsführer der EAM Kassel.
Alle aktuellen Top-Athleten des Laufteams waren da: Melat Kejeta, Jens Nerkamp, Sandra Morchner, Tom Ring und Philipp Stuckhardt. Als Ehrengäste nahmen die “Altinternationalen” Ilse und Reiner Gutschank teil. Moderiert wurde die Veranstaltung von Winfried Aufenanger, der von seiner Ehefrau Brigitte und Sohn Michael Aufenanger begleitet wurde. Für die HNA war Martin Scholz, Redakteur der Sportredaktion gekommen. Und natürlich waren etliche Fotografen vor Ort.
Erster Geburtstag Laufteam Kassel!
Kaum zu glauben, dass es das Laufteam “erst” ein Jahr gibt. Zu sehr hat man sich schon an den neuen Verein in Kassel mit den vielen Erfolgen gewöhnt. “Dank der Sponsoren konnten wir vor einem Jahr sofort durchstarten” machte Winfried Aufenanger deutlich. In diesem Jahr sammelte der Verein bereits fleißig Titel. Überragend sind zum Beispiel die Ergebnisse bei Hessischen Meisterschaften: 25 Titel sind in allen Bereichen der Langstrecke (Cross, Bahn, Straße) zu verzeichnen.
Was motiviert die Sponsoren?
Die erste Frage ging an die beiden Sponsoren: Wieso sponsern Sie das Laufteam Kassel, was ist ihre Beziehung zur Leichtathletik? Lars Bergmann war früher selbst Sportler: “Ich habe selber eine Sport-Vergangenheit: Tennis, Leichtathletik, Langstrecke!” Dann jedoch geriet der Sport zunehmend in den Hintergrund. Doch als die Kinder und schließlich auch die Ehefrau den Laufsport für sich entdecken, findet auch Lars Bergmann zurück zum Laufen. Er selbst sieht sich heute als aktiven (und begeisterten) Hobbyläufer. Und auch ins eigene Unternehmen hat er seinen Sport getragen. Das Laufteam der Firma nennt sich immo runners und ist bei vielen Laufveranstaltungen aktiv.
Der Weg zur Förderung des Laufsports in Nordhessen – dem Sitz der IMMOVATION AG – verlief auf Umwegen. Bei der Winterlauf-Serie im nordhessischen Ahnatal lernten sich Lars Bergmann und Winfried Aufenanger kennen – beim Kaffeetrinken. Schnell ist man ins Gespräch gekommen und entdeckte gemeinsame Interessen. Und somit konnte diese Erfolgsstory starten.
Mit dem Sponsoring der Spitzenläufer Melat Kejeta, Jens Nerkamp, Sandra Morchner, Tom Ring und Philipp Stuckhardt möchte Bergmann den Breitensport in Nordhessen fördern. Auf deren Erfolge in diesem Jahr ist Lars Bergmann “mega stolz”. Im Zentrum steht für ihn der “Leistungsgedanke”. Die Leistung muss aus einem inneren Antrieb erfolgen. “Laufen muss jeder selbst” stimmt Sandra Morchner zu. Der Wille zur und der Spaß an der außergewöhnlichen Leistung verbindet den Unternehmer mit den Sportlern.
Für die EAM Kassel betont Georg von Meibom das vielfältige Engagement der EAM im Sponsoring. Hier zeige sich die Verantwortung des Unternehmens für die Region. Für ihn gehört aber auch das persönliche Mitfiebern, zum Beispiel beim Berlin-Marathon, dazu: “Großartig, dass die beiden besten Deutschen vom Laufteam-Kassel kommen!”
Die nächsten Fragen gelten den fünf Athleten. Dabei geht es nicht nur um die sportlichen Erfolge. Sie erzählen auch über die (nicht immer einfache) Verbindung von Sport und Beruf und sie geben auch kurze Ausblicke auf ihre sportlichen Pläne.
Philipp Stuckhardt – Landwirt und Läufer
Philipp Stuckhardt ist gelernter Bio-Landwirt. Er berichtet, dass Laufen und Landwirtschaft nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen sind. Sein Hof in Bad Hersfeld ist nun seit 14 Generationen im Besitz der Familie und eine solche Arbeit bringt es natürlich mit sich, dass er den ganzen Tag im Freien ist – da ist es dann nicht immer leicht, sich nach dem Tagwerk nochmal fürs Training zu motivieren. Aber wichtig ist ihm, dass beides (Landwirtschaft und Sport) “seins” sind, auch wenn es manchmal irgendwie “bekloppt” ist, wie er mit einem sympathischen Lächeln hinzufügt. Mittlerweile arbeitet Philipp zusätzlich auf einem weiteren Hof. Das stellt zwar eine weitere Belastung dar, räumt ihm jedoch als Angestellten – dank verständnisvollem Chef – mehr Flexibilität ein. Das kommt dem Training und dem Laufen natürlich zugute. Als Ziel für das kommende Jahr nannte Philipp eine bessere Zeit bei den 5000 Metern und einen “Ruck” beim Halbmarathon.
Tom Ring – Ultrakurzzeitphysik und Langstreckenlauf
Tom Ring ist derzeit Doktorand an der Universität Kassel. Die “Probleme” Philipp Stuckhardts (Arbeit im Freien) kennt er nicht, da er tagtäglich im Labor steht – „bei exakt 23 Grad“, wie er sagt. Seine Stelle an der Uni bringt ihm die nötige Flexibilität für eine relativ unkomplizierte Zeiteinteilung zwischen Datenauswertung und Sport: “Schließlich sind wir alle keine Vollprofis”. Besonders glücklich war Tom Ring, dass sich das harte Training in diesem Jahr für ihn beim Marathon in Frankfurt ausgezahlt hat: Er durfte sich über seine neue Bestmarke von 2:27:20 Stunden freuen. Bei der Hessischen Landesmeisterschaft bedeutete dies den dritten Platz und einen Platz auf dem Treppchen!
Sandra Morchner, die schnellste Sylterin
Sandra Morchner erzählt wie sie zum Laufen kam: Mit vierzig Jahren fing sie überhaupt erst an! Das Training im Fitness-Studio genügte ihr nicht mehr. Bald läuft die Westerländerin auf Sylt weite Distanzen: erst zwölf, dann zwanzig Kilometer. Dann will es der Zufall, dass sie spontan als Ersatz in eine Marathon-Staffel einspringen kann. Dieser Anfang ist vielversprechend, das Marathon-Fieber hat sie nun gepackt. Wenig später nimmt ein Freund sie in ein Lauf-Trainingslager nach Portugal mit. Dort trifft Sandra Winfried Aufenanger, der sie seither trainiert. Die Entfernung zwischen Kassel und Sylt empfindet sie dabei nicht als Hinderungsgrund.
Auf die Frage, wie es für sie ist, mit 48 so weit oben zu sein und teilweise vor deutlich Jüngeren zu stehen, antwortet sie, dass der Altersunterschied für sie nicht wirklich von großer Bedeutung ist. Der Frage, wo sie sich selbst einordnet, nimmt sie mit viel Humor: “Auf jeden Fall bin ich die schnellste Sylterin”. Die Europameisterschaft in Italien (Jesolo) zu gewinnen, hat sie euphorisiert, auch wenn sie mit der eigenen Zeit letztlich nicht zufrieden war. Ihr Ziel für das kommende Jahr ist ihre Zeit im Halbmarathon weiter zu verbessern. Wichtig neben den Sponsoren und dem Trainer ist für Sandra auch ein Arbeitgeber, der sie unterstützt und fördert. Für die EM hat ihr Arbeitgeber Sandra für vier Wochen freigestellt.
Jens Nerkamp – Frühjahrsmüdigkeit überwunden
“Das Frühjahr war schlecht” meinte Jens Nerkamp schlicht. Doch dann trafen Trainer Winfried Aufenanger und er die richtige Entscheidung, wie der Rückblick zeigt. Statt bei den Deutschen Meisterschaften über 5000 Metern anzutreten, wurde der Blick auf den Marathon in Berlin gerichtet.
Das hieß hartes, konsequentes Training: Im Schnitt 185 km in der Woche. In Berlin wurde Jens dafür belohnt. Alles stimmte, er hatte schon beim Aufstehen das Gefühl, dass es gut laufen würde. Als gegen Ende des Laufs die Uhr am Begleitfahrzeug vor ihm auf 2:14 umsprang und er als bester Deutscher vorne lag – hat ihn das total motiviert, da lief es noch etwas besser. Doch als er durchs Ziel lief, die Kameras ihn nicht zu bemerken schienen und er als bester Deutscher kein Zielbanner bekam, gab es trotz des Sieges auch ein Gefühl der Enttäuschung, zieht der Athlet sein Fazit.
Wichtig war in Berlin umso mehr der fast familiäre Zusammenhalt des gesamten Teams – samt Sponsor Lars Bergmann, der immer ganz dicht dran war und half, wo er helfen konnte. Laufen muss natürlich jeder selbst, aber die mentale Stärke hängt auch an einem guten Umfeld, so der Sieger.
Nach so einem Rennen taucht natürlich die Frage nach der Olympia-Teilnahme auf. Die Olympia-Norm lag 2016 noch bei 2:14:00 Stunden. Jens Nerkamp ist in Berlin 2:14:54 Stunden gelaufen. Damit hätte er 2016 zwar die Norm für Rio knapp verpasst, aber 54 Sekunden – das ist ein Ziel, dass man mit harter Arbeit anvisieren kann. Dieses Mal wurde die A-Norm auf 2:11:30 h festgelegt. Jens Nerkamp: “Grenzen sollte man sich nie setzen, aber realistisch sollte man schon bleiben.” Eine weitere Chance könnte sich dennoch bei den Deutschen Meisterschaften im Marathon in Hannover ergeben – denn als Sieger erhält man einen Bonus.
Beim Pressetermin sprach jemand gar davon, dass Jens Nerkamp in Berlin den Lauf seines Lebens lief. Aber soweit ist es noch nicht! Jetzt wird der Blick wieder nach vorne gerichtet: Im kommenden Jahr soll der Fokus wieder stärker auf Uni gerichtet sein. Jens Nerkamp studiert Politik und Germanistik, aber das Training wird natürlich integriert. Ziele sind das Trainingslager in Portugal, der Barcelona Halbmarathon, der Halbmarathon Berlin und vor allem: die Deutschen Meisterschaften in Hannover.
Melat Yisak Kejeta – „endlich Deutsche“!
Es ist erst ein dreiviertel Jahr her: Anfang März 2019 erhielt Melat Kejeta die deutsche Staatsbürgerschaft. Direkt nachdem sie die offizielle Urkunde erhielt, macht sie deutlich, was ihr großes sportliches Ziel ist: „Ich möchte für Deutschland bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio im Marathon starten!” Privat war in diesem Jahr das Wiedersehen mit ihrer großen Familie mit sieben Geschwistern und Halbgeschwistern natürlich das Wichtigste. Sie hatte ihre Familie sieben Jahre nicht gesehen!
Ob sie sich in Deutschland schon eingelebt habe und wohl fühle, wollte Martin Scholz von der HNA wissen. „Ja, es gefällt ihr hier sehr … nur die Winter sind etwas kalt.“
Sportlich war für Melat Kejeta auch dieses Jahr wieder ein Erfolgsjahr. In Berlin feierte sie ein fantastisches Marathondebüt: in 2:23:57 Stunden ist sie auf Anhieb zur drittschnellsten deutschen Marathonläuferin aller Zeiten avanciert! Sie knackte damit die Olympia-Norm. Winfried Aufenanger machte nochmal deutlich, was das bedeutet: Mit dieser Zeit liegt Melat Kejeta in der bereinigten Bestenliste weltweit auf Platz 17 und in Europa ist sie damit die Nummer 3. Das hatte Team-Kollege Jens Nerkamp eigens für die Pressekonferenz “berechnet”.
Ihr Ziel für Berlin hatte sich Melat Kejeta deutlich gesetzt, erläuterte Winfried Aufenanger: Sie wollte 2.22 h laufen! Der Trainer war dabei etwas “zurückhaltender”. Schließlich lag die Norm “nur” bei 2.29.30 Stunden. Doch Melat Kejeta wusste, was sie kann. Und das hatte ihr nach einem zweimonatigen Trainingslager in Kenia auch kein geringerer als Patrick Sang attestiert. Sie berichtete von ihrem Höhen-Training in Kenia, das ihr sehr geholfen habe Zu der ausgewählten Läufergruppe in Kenia gehörte ca. 50 Top-Läufer und 10 Top-Läuferinnen.
Doch auch hier gibt es einen Wermutstropfen: Als Melat Kejeta beim DLV um Förderung des Trainings bat, kassierte sie ein schlichtes: Nein! Das brachte Sponsor Lars Bergmann auf den Plan. Spontan stellte er klar: Sollte es vom DLV tatsächlich keine ausreichende Unterstützung für Melat Kejetas Training für Olympia geben, dann “schaffen wir das gemeinsam aus eigener Kraft!”
Abschluss
Am Ende bekamen Trainer Winfried Aufenanger und Sponsor Lars Bergmann von den Läufern des Laufteam Kassel noch ein Geschenk als Dank für ihren Einsatz. Alle machten klar, dass nicht nur der finanzielle Aspekt beim Sponsoring wichtig ist – auch wenn der “vieles einfacher” macht. Wichtig ist allen auch die Wertschätzung, die mit der Förderung verbunden ist. Und wichtig sei auch, dass der Sponsor selbst bei den Rennen dabei ist und die Läufer leidenschaftlich anfeuert! “Ich habe ihn jedes Mal gehört”, bekräftigte Jens Nerkamp.
[SportundSponsoring]
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Bildquellen:
- Laufteam Kassel, Pressekonferenz 11.2019, Gruppenbild: ©Michael Bald
- Laufteam Kassel, Pressekonferenz 11.2019: ©IMMOVATION AG