Stellen Sie sich vor, Sie verlieren bei einem Spiel am einen Tag 100 Euro und am anderen Tag gewinnen Sie 100 Euro. Vermutlich werden sie sich später an den Verlust eher erinnern und er wird Sie mehr schmerzen als der gleichhohe Gewinn.
Können Sie sich einen Gewinn von 100 Euro ausrechnen, werden Sie diese Aussicht gefühlsmäßig vermutlich geringer bewerten als einen gleichhohen voraussichtlichen Verlust. Die Psychologen und Ökonomen nennen diese Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne “Verlust-Aversion” (engl. loss aversion). Die Forscher können die Verlust-Aversion sogar beziffern: Fragt man Probanden, was der niedrigste Gewinn ist, den sie brauchen, um die 50%-Wahrscheinlichkeit eines Verlustes von 100 Euro auszugleichen, nennt das Gros einen Wert von 200 Euro. Die “Verlust-Aversions-Rate” liegt in diesem Fall bei 2,0. In der Regel schwankt sie zwischen 1,5 und 2,5.
Der rationale “Homo Oeconomicus” wird von seinen Gefühlen geleitet
Bekannt ist das Phänomen bereits seit Ende der 70er Jahre durch die Arbeiten der Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky. Das Bild vom kühl kalkulierenden “Homo Oeconomicus” ist seither mächtig ins Wanken geraten. Ein Verlust mag numerisch mit einem Gewinn identisch sein, aber er wird subjektiv ganz anders – in der Regel viel stärker – wahrgenommen.
Verluste schmerzen doppelt
In Experimenten haben Tversky und Kahneman Folgendes beobachtet: Mit steigendem Gewinn steigt (natürlich) die Zufriedenheit des Investors. Steigt jedoch der Verlust um den identischen Betrag, nimmt die Unzufriedenheit des Investors deutlich stärker zu. Manche Forscher schätzen, dass Verluste doppelt so schmerzhaft empfunden werden. Wie kommt das? Gewinne und Verluste werden im Kopf bildlich gesprochen nicht auf demselben Konto verbucht und daher nicht einfach gegeneinander verrechnet.
Lässt sich die Verlust-Aversion überlisten?
Verhaltensbiologen haben das gleiche Phänomen sogar bei unseren nahen Verwandten – den Affen – beobachtet. Es scheint ziemlich fest in uns verdrahtet zu sein. Selbsterkenntnis ist allerdings der erste Schritt zur besseren Geldanlage. Daher kann ein Perspektiv-Wechsel hilfreich sein: Es ist schon einiges gewonnen, wenn die Erkenntnisse der Wissenschaftler helfen, sich über das eigene Verhalten klarer zu werden.
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