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Verkehrte Welt: Die Großen klein, die Kleinen groß (Gastbeitrag)

von Andrea Petzenhammer

Andrea Petzenhammer ist geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur Petzenhammer & Sievers Kommunikation. Sie berät zu Pressearbeit, Online-Kommunikation, Websites und Social Media. Der Blogbeitrag „Verkehrte Welt“ wurde durch einen Beitrag der IMMOVATION AG zur DVFA-Studie inspiriert. (Investoren und Analysten – Skepsis bei social media, aber 53 Prozent nutzen Xing)

Anleger, die nach Immobilien- oder Erneuerbare Energie-Fonds googlen, stoßen auf vergleichsweise wenig bekannte Marktteilnehmer. Dieser Ist-Zustand ist unter anderem das Ergebnis dreier Trugschlüsse, insbesondere in größeren Häusern.

Einer davon ist, dass viele die Kommunikation gegenüber Online-Medien, auf Websites sowie in sozialen Netzwerken noch nicht gleichwertig mit klassischer Pressearbeit einordnen. Das online entstehende Kommunikationsvakuum bietet Chancen, die kleinere Marktteilnehmer zu nutzen wissen.

Die DVFA veröffentlichte die Studie „Social Media Survey 2013“, die europaweit Investment Professionals befragt. Über 80 Prozent der Antworten kamen aus Deutschland. Der überwiegende Anteil der Teilnehmer waren Analysten und Investoren.

Bedeutung von Websites erlebt Höhenflug

Rund die Hälfte der Befragten erachten soziale Netzwerke als zumindest teilweise wichtig, bewerten jedoch andere Kanäle als relevanter. Insbesondere Unternehmenswebsites gewannen in den vergangenen Jahren verstärkt an Bedeutung als Informationsbeschaffung für die Investmententscheidung.

Divergenz zwischen Konsum und Veröffentlichung

Nur 16 Prozent der befragten Teilnehmer veröffentlichen selbst für Investitionen relevante Informationen in sozialen Netzwerken. 15 Prozent publizieren entsprechende Inhalte in Foren, neun Prozent in Blogs. Eine starke Divergenz besteht im Vergleich zum Konsumverhalten: Mehr als doppelt so viele Teilnehmer nutzen entsprechende Informationen aus den genannten Medien für die eigenen Investitionsentscheidungen.

In ihrer Meinungsfindung beeinflusst werden nach eigener Angabe bereits 38 Prozent durch Blogs, 35 Prozent durch Social Media-Netzwerke und 39 Prozent durch Einträge in Foren. Die veröffentlichten Daten werden zwar von der überwiegenden Mehrheit als weniger wichtig eingeschätzt als Nachrichten in klassischen Medien. 21 Prozent räumen den Informationen aus sozialen Netzwerken, Blogs und Foren jedoch inzwischen die gleiche Gewichtung ein. Der Wert entspricht fast einer Verdopplung im Vergleich zu 2011.

Drei Denkfehler, die anderen den Vortritt lassen

Die Ergebnisse der Studie bilden eine Einschätzung ab, die häufig auch in der deutschen Immobilien- und Fondsbranche zu finden ist: Wenn schon aktive Kommunikation, dann an ausgewählte Journalisten. Online-Kommunikation und soziale Netzwerke seien für die Zielgruppe nicht relevant. Diese Einschätzung basiert auf drei Denkfehlern:

1. Das Ausschlussprinzip: Lieber einen Kanal gut als viele schlecht

Es gibt zwar „wichtigere“ Medien, die in der Kommunikation bestimmter Unternehmen einen stärkeren Aufmerksamkeitsgrad benötigen als Social Media. Das heißt aber nicht, dass „weniger wichtige“ Kanäle nicht bespielt werden müssen. Im Gegenteil: Das eine Medium, dass alle Personen aus der Zielgruppe konsumieren, gibt es nicht mehr.

Viele Menschen lesen beispielsweise keine Printmedien mehr, informieren sich aber durchaus online. Wer nur die Hälfte der potenziellen Kunden anspricht, darf sich nicht wundern, wenn die andere Hälfte das Unternehmen und die eigenen Produkte nicht kennt.

2. Die Doppelmoral: Ich nutze Google und Social Media, die Anleger aber nicht

Analysten und Entscheider nutzen zwar selbst Online-Suchmaschinen und soziale Netzwerke, erwarten aber nicht, dass potenzielle Kunden das auch tun. Diese Einschätzung bildet zwei Argumentationslinien ab: Es ist nicht einfach, neue Informationskanäle in einem Unternehmen zu etablieren.

Solche strategischen Entscheidungen bedürfen vieler interner Diskussionen und werden deshalb gerne in die Zukunft verschoben. Zudem haben viele Entscheider noch immer das Bild des älteren Senioren im Hinterkopf, der keinen Computer besitzt, geschweige denn im Internet recherchiert.

Die Vorstellung, dass ein Anleger beispielsweise nach einem Beratungsgespräch die Seriosität eines Unternehmens im Internet sowie dessen Ruf in sozialen Netzwerken prüft, hat sich noch nicht in der Branche verankert.

Eine weitreichende Fehleinschätzung: Studien zeigen, dass insbesondere finanzkräftige Anleger zu 96 Prozent von Online-Informationen in ihrer Investmententscheidung beeinflusst werden. Einer der Gründe dafür, dass soziale Netzwerke noch eine untergeordnete Rolle spielen ist, dass nur wenige Unternehmen dort bisher vertreten sind.

3. Die Multiplikatorenfalle: Social Media ist nicht so wichtig wie Pressearbeit

Die Glaubwürdigkeit von Unternehmen bemisst sich heute nicht mehr nahezu ausschließlich daran, welchen Eindruck Journalisten haben. Journalisten sind zwar weiterhin relevante Branchenteilnehmer, die Unternehmen entsprechend informieren müssen. Sie sind aber nicht mehr die einzigen Meinungsbildner. Vielmehr verlassen sich viele Nutzer von sozialen Netzwerken auf die Empfehlungen oder Warnungen aus dem Bekanntenkreis.

Es entsteht ein Effekt, der bisher vor allem für die Pressearbeit relevant war: Unternehmen, die nicht regelmäßig im entsprechenden Kanal informieren und für Fragen zur Verfügung stehen, werden regelmäßig nur dann erwähnt, wenn Probleme auftauchen. Genau wie sich schlechte Nachrichten besser verkaufen als gute, haben Kunden auch deutlich häufiger ein Mitteilungsbedürfnis, wenn sie wütend sind.

Konsolidierung auch online?

Seit dem 22. Juli 2013 ist die seit rund vier Jahren diskutierte AIFM-Regulierung in Deutschland in Kraft getreten. Noch am 1. Juli 2013 prognostizierten die Experten von Knight Frank und dem Beratungs- und Softwarehaus DRS (Data Room Services), dass die Vorschriften für AIFM zu einer Konsolidierung der europäischen Investmentbranche führen würden.

Demnach gehen 63 Prozent der befragten Immobilieninvestoren davon aus, dass sich durch AIFMD die Anzahl der Fondsmanager reduzieren wird.

Ob künftig seriöse, gut organisierte Häuser den Markt bestimmen und den Ruf der Branche prägen werden, ist dennoch dahingestellt. Potenzielle Anleger, die online recherchieren, finden viele der größeren Anbieter erst gar nicht, da diese in Google-Suchergebnissen sowie in sozialen Netzwerken kaum in Erscheinung treten.

Weniger bekannte Anbieter haben diese Lücke als Chance erkannt und begonnen, sich zu positionieren und potenzielle Anleger online anzusprechen.

Ob die Ergebnisse der Produkte aus diesen Häusern jedoch dazu beitragen, dass seriöse AIFs den negativen Ruf geschlossener Fonds der vergangenen Jahre zügig überwinden können, bleibt abzuwarten.


Quelle: Petzenhammer und Sievers Kommunikation


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