Beratung: Hälfte der Kunden liest die Protokolle nicht

So stellen sich Anlagekunden einen guten Berater vor:

  • Sein Fachwissen ist sehr gut
  • Er ist gut vorbereitet
  • Er geht gut auf die individuelle Situation der Kunden ein
  • Er informiert über die Kosten
  • Er fasst sich kurz: das Beratungsgespräch soll nicht länger als eine Stunde sein

Was fehlt in dieser Liste? Richtig: Beratungsprotokolle. Sie genießen bei den Kunden keinen hohen Stellenwert. Das geht aus einer Befragung von 71 Bankkunden und 81 Anlageberatern hervor. Durchgeführt wurde die Befragung von Alexandra Kindler, die als “Beraterin Private Banking” bei der Deutschen Bank arbeitet.

Wichtig: Informationen zu Kosten

Fast allen Kunden (97%) ist eine ausführliche Information über die Kosten der Anlage wichtig oder sehr wichtig. Alle Berater (100%!) gaben an, dies auch stets umzusetzen. Die Perspektiven der Berater und der Kunden gehen in diesem Punkt allerdings weit auseinander – die Umfrage ergibt: Fast ein Viertel (23%) der Kunden sind über die Kosten des Produktes nicht ausführlich aufgeklärt worden.
Zwei Drittel der Kunden wünschen, dass der Berater sich kurz fast: Eine Stunde muss für die Beratung genügen. Ein Wunsch, dem nur 38% der Berater nachkommen.
Wie funktioniert das Produkt genau? Erstaunlich*: Ein Drittel der Kunden ist  eine detaillierte Erklärung des Produktes nicht wichtig. Hier gibt es allerdings Unterschiede: Kunden, die über mehr als 100.000 EUR Anlagevermögen verfügen wünschen sie eher Detailinformationen (zu 80%) als Anleger mit einem geringeren Vermögen (60%).

Hier gibt es Nachholbedarf:

Dass der Finanz-Berater auf den Finanz-Märkten zuhause ist und hier ein fundiertes Fachwissen hat, setzen die meisten Befragten (92%)  selbstverständlich voraus. Doch am Ende zeigen sich nur zwei Drittel von den Markt- und Fachkenntnissen des Beraters überzeugt.
Der Kunde will eine Beratung, die über den  Durchschnitt hinaus geht. Wenn der Berater es schafft, “das Beratungsgespräch zu einem hochwertig erlebbarem Ereignis zu machen und den Kunden, je nach Lebensphase, unterschiedliche Anlagekonzepte anbietet”, kann er sich damit vom Wettbewerb abheben (Alexandra Kindler). Wichtig ist mit Individualität, Know-How und Marktkenntnis das “Beratungsgespräch zu einem hochwertig erlebbarem Ereignis machen”.
Smalltalk gehört hier übrigens nur bedingt dazu: Zwar versuchen fast alle Berater (93%) mit privaten Themen das Eis zu brechen. Aber über zwei Drittel der Kunden finden Smalltalk “als weniger wichtig oder sogar als unwichtig”.

Hälfte liest die Protokolle nicht

Besonders schlecht schneiden bei der Befragung Beratungsprotokolle ab:

  • 38% der Kunden gaben an, dass der Berater sie nicht genau besprochen hat.
  • 26% halten den Inhalt für nicht genau nachvollziehbar
  • Nur Hälfte der Befragten hat das Protokoll überhaupt durchgelesen

Wem vertrauen die Kunden?

94% der befragten Bankberater glauben, dass die Kunden nicht ihren, sondern anderen Empfehlungen folgen! Hier scheinen sie ihre Kunden – laut Umfrage – völlig falsch einzuschätzen! Drei Viertel der Bankkunden (76%) gaben an, dass sie oft oder sehr oft auf ihren Berater vertrauen! Nicht mal ein Viertel (20 %) setzen bei der Anlageentscheidung eher auf die Empfehlungen von Freunden und Bekannten.
Eine ältere Umfrage von 2011 mit einem ähnlichen Fokus kam hier zu völlig anderen Ergebnissen: 
Comdirect veröffentlichte 2011 (“im Jahr drei nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise”) die Studie “Kunden-Motive 2011: Kopf oder Bauch? Wie die Deutschen bei Geld und Finanzen entscheiden” Für 44% spielt der Bauch, wie es heißt, bei Finanzentscheidungen eine wichtige Rolle. Sehr bedeutsam ist auch die Meinung des Lebenspartners (immerhin 32%). Erstaunlich!: Berater schneiden in dieser Studie sehr viel schlechter ab: Ihre Empfehlungen sind mit 18% nicht besonders relevant! (Quelle: Weiter zur Website comdirect)
Für diese Studie wurde über 1000 Personen befragt. Alexandra Kindler hat 71 Bankkunden und 81 Anlageberater befragt.


 
* Ganz so erstaunlich ist das allerdings nicht: Denn nur jeder Dritte setzt sich intensiv mit den Entscheidungen im Finanzbereich auseinander, während dies bei Gebrauchsgütern fast zwei Drittel tun. (Hier mehr dazu!)


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