Wer hat Angst vorm Schwarzen Schwan?

Illustration: Schwarzer Schwan

Oft sind wir uns so sicher, etwas mit Bestimmtheit zu wissen, dass wir die Möglichkeit nicht in Betracht ziehen, eventuell doch falsch zu liegen. So erging es beispielsweise den Menschen des späten Mittelalters, die der festen Überzeugung waren, dass Schwäne grundsätzlich weiß seien. Als der holländische Entdecker Willem de Vlamingh im 17. Jahrhundert in Australien allerdings auf schwarze Schwäne traf, stellte sich heraus, dass das als so sicher geltende Wissen der Menschen über die Farbe dieser Tierart nicht richtig war. Und wussten Sie, dass Schwarze Schwäne auch in der Finanzwelt zu finden sind?

Menschen machen Fehler

Die neu entdeckte Schwanen-Art trug nicht nur zur Weiterentwicklung zoologischer Erkenntnisse bei, sondern führte den Menschen ihre Fehlbarkeit vor Augen. In der Philosophie, und natürlich nicht nur da, spielt das Hinterfragen scheinbar bestehender Tatsachen eine große Rolle.

Der Philosoph Sokrates ( 469 – 399 v. Chr.) sagte einmal, „ich weiß, dass ich nichts weiß“. Damit wollte er ausdrücken, dass er zunächst das hinterfragen muss, was er zu wissen glaubt. Nicht alles, was wahr zu sein scheint, muss auch wahr sein.

Der von de Vlamingh beobachtete Schwarze Schwan wurde in diesem Zusammenhang zum Sinnbild des Nichtwissens und Nichterkennens. Nassim Nicholas Taleb (geb. 1960), ein philosophischer Essayist unserer Zeit, widmete sich dem „schwarzen Schwan“ sogar in seinem Bestseller und machte ihn dadurch zum Star der Philosophie.

Schwarze Schwäne – Wann und wo treten sie auf?

Die sogenannten „Schwarze-Schwan-Phänomene“ treten plötzlich und unvorhergesehen auf. Wir haben sie zwar nicht erwartet, können sie im Nachhinein aber erklären, da wir nachvollziehen können, wie sie entstanden sind.

Somit werden wir durch solche Begebenheiten tatsächlich klüger und können aus ihnen lernen und einsehen, dass wir vorher nicht weit genug gedacht haben. Ein klassisches Beispiel eines „Schwarze-Schwan-Phänomens“ sind manche Börsenblasen.

Schwarze Schwäne an der Börse

Nach dem Platzen dieser Börsenblasen wissen die Menschen, dass die Aktien zuvor unverhältnismäßig schnell gestiegen sind. Allerdings sind solche Blasen nicht generell vorherzusehen. Wir Menschen handeln zumeist in der Annahme, wir hätten alle Eventualitäten bedacht und könnten aus bisher gemachten Erfahrungen schöpfen.

Unsere Weitsichtigkeit erscheint uns so unumstößlich, dass wir Warnsignale oft nicht wahrnehmen. Selbst wenn ein Schwarzer Schwan unmittelbar vor uns auftaucht, nehmen wir ihn nicht ernst, da er doch eigentlich gar nicht existieren kann.

Beispiel Immobilienblase

Was ist eine Preisblase und was ist das Gefährliche daran?

Als Blase bezeichnet man einen spekulativen Preisauftrieb, der durch den fundamentalen Zusammenhang von Angebot und Nachfrage nicht mehr zu rechtfertigen ist. Das Schädliche daran sind aber weniger die hohen Preise selbst, sondern vielmehr die dadurch überzeichnete Knappheit.

In der Folge kommt es zu Fehlallokationen: der Wohnungsbau und die dazu erforderliche Kreditvergabe werden über Gebühr angekurbelt, Kapital für alternative Anlageinvestitionen wird knapp. Gefährlich wird eine Blase aber erst, wenn sie platzt. Dann wird Vermögen vernichtet, weil die Buchwerte der Immobilien an Wert verlieren. Es entstehen Leerstände und im schlimmsten Fall kommt es zu einer Bankenkrise, weil die Kreditausfälle überhand nehmen.

Und der empirica-Blasenindex kann nun eine Preisblase erkennen?

Nein, leider nicht. Er kann nur Hinweise auf drohende Blasenbildung geben und dafür verschiedene Warnstufen anzeigen.

Quelle: www.empirica-institut.de

Man lernt nie aus, oder?

So unangenehm und unvorhergesehen ein Zusammentreffen mit einem Schwarzen Schwan auch sein kann, so lehrreich kann es gleichermaßen sein. Sowohl Sokrates als auch Taleb empfehlen, sich nicht von „weißen Schwänen“, also vermeintlicher Sicherheit, blenden zu lassen, sondern auch immer damit zu rechnen, dass ein Schwarzer Schwan an der nächsten Ecke auftauchen könnte. Eine gesunde Skepsis ist also notwendig, um auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet zu sein.


Wenn Sie wissen möchten, welche Tiere sonst noch in der Finanzwelt vertreten sind, können Sie dies in unserem Beitrag nachlesen unter: Tiere in der Welt der Finanzen.


Bildquellen:

  • Illustration: Schwarzer Schwan: © IMMOVATION AG