Behavioral Finance – wie rational investiert der Mensch?

Es gibt eine große Eigenschaft, die uns Menschen vom Tier unterscheidet: unser Verstand. Doch wie rational sind wir Menschen wirklich, vor allem in Sachen Geldanlage? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Verhaltensökonomie, englisch Behavioral Finance.

Dass ein Vertreter dieser Forschungsdisziplin, der US-amerikanische Ökonom und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University Robert Shiller 2013 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, zeigt wie bedeutend Behavioral Finance mittlerweile ist.

Die Feststellung, dass Menschen häufig nicht rational handeln, ist nicht wirklich neu. Doch das Bild des vernünftig entscheidenden Menschen, dem sich die klassische Ökonomie mit ihrem Homo oeconomicus verschrieben hatte, wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts grundlegend in Frage gestellt.

Menschen – durchweg rationale Wesen?

Dass Menschen nicht immer überlegt handeln, zeigten insbesondere die in den 70er-Jahren durchgeführten verhaltenswissenschaftlichen Experimente der Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman. Deren bahnbrechende Resultate ermöglichten einen Blick auf die Entscheidungsfindung von Menschen in unsicheren Situationen und lieferten damit ein psychologisch realistischeres Gegenmodell zur Theorie der rationalen Nutzenmaximierung. Die Forschung auf diesem Gebiet brachte Kahneman als erstem Psychologen den Wirtschaftsnobelpreis (sein Kollege Tversky war zu dieser Zeit bereits verstorben).

Verlust schmerzt länger als die Freude anhält

Einige erstaunliche Beispiele für die Entdeckungen der Forscher zeigen, wie sehr sie unser Selbstbild auf die Probe stellen. 500 Euro sind 500 Euro. Oder? Die ältere so genannte Portfoliotheorie besagt demgemäß, dass zahlenmäßig gleiche Gewinne und Verluste von Investoren selbstverständlich auch gleich gewertet werden. Wie sollte es anders sein? Die „Prospect Theory“ von Kahneman und Tversky zeigt etwas anderes! Ein Verlust schmerzt mindestens doppelt so sehr wie ein Gewinn freut. Diesen Effekt nennt man auch Verlust-Aversion.

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Von Schönreden und der eigenen Unsicherheit

Zudem wiesen Kahneman und Tversky nach, dass Investoren dazu neigen, bestehende Informationen so zu deuten, dass ihre Handlungen oder Überzeugungen durch diese bestätigt werden. Hierbei machen sich Investoren kein objektives Bild der Lage, sondern machen sie für ihre Zwecke passend. Dieses Phänomen nennt man auch „kognitive Verzerrung“, englisch cognitive bias.

Zusätzlich seien Anleger der Meinung, andere Investoren hätten bessere Informationen als sie selbst und wollen es ihnen deshalb gleich tun – mit dem einen oder anderen Verlust in der Konsequenz. Höchstwahrscheinlich denken sie sich: „So viele Menschen können sich nicht irren“. Dieser „Ansteckungseffekt“ kann unter anderem eine Ursache für Finanzmarktkrisen sein.

Menschen verfügen über zwei Systeme

Kahnemans Untersuchungen stützen diese Beobachtung. Grob erklärt: Kahnemann macht im Menschen zwei Systeme aus.

System 1: Es ist emotional gesteuert, und trifft unbewusst und schnell Entscheidungen.
System 2: Von ihm gehen bewusste, oft “anstrengende” Überlegungen aus.

Bei ihrem Impuls, den anderen Anlegern aufgrund ihrer Vermutung, diese wüssten besser Bescheid, zu folgen, reagiert also System 1. Würden wir hingegen mehr von unserem zweiten System Gebrauch machen, könnten wir weitaus objektiver sein und unsere Verluste unter Umständen minimieren. Doch selbst die durchdachtesten finanziellen Entscheidungen unterstehen immer einem Restrisiko. Doch hält man sich auch hier an Daniel Kahneman, so rät dieser dazu, sich klar zu machen, dass es sich bei solchen Entscheidungen immer nur um einen kleinen Teil vieler Entscheidungen im Leben handelt – und dass unsere Verlustangst uns nicht davon abhalten sollte, sie zu treffen.


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