Alte Verhaltensmuster stehen zeitgemäßer Geldanlage oft im Weg (Studie)

Illustration: Sparbuch mit Geldscheinen

“Über Geld spricht man nicht!” Nirgendwo wird so wenig über Geld gesprochen wie in Deutschland. Gehalt, Vorsorge und Geldanlage sind für die Deutschen immer noch Tabuthemen. (Hier mehr dazu!) Warum das zu Fehlentscheidungen bei der Geldanlage führen kann, zeigt eine neue Studie.

Das Thema Geld ist – wie die Studie zeigt – in vielen deutschen Privathaushalten zwar allgegenwärtig, wirklich darüber gesprochen wird jedoch nicht. Das heißt, unsere Ansichten zu Geld, Vorsorge und Geldanlage sind  zwar stark vom familiären Umfeld, Rollenmustern und Traditionen geprägt. Explizit darüber gesprochen wird jedoch selten: Der Umgang mit Geld wird zumeist nicht bewusst vermittelt, sondern “unbewusst vorgelebt”.

Rolf von Lüde, Professor für Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg erläutert: “Der Umgang mit Geld wird nachhaltig von der Familie geprägt. Deshalb fällt es vielen Menschen schwer, sich von vorgegebenen Bahnen eines ‘richtigen Sparverhaltens’ zu lösen, auch wenn das vielleicht notwendig wäre.”

Was früher einmal richtig war, kann heute durchaus falsch sein

Mit anderen Worten: Obwohl im familiären Umfeld gar nicht offen über das Thema gesprochen wurde, schauen sich die Meisten bestimmte Taktiken und Muster ab, die jedoch nicht reflektiert werden. Das Problem dabei liegt auf der Hand: Diese Muster der “familiären Anlagestrategie” stammen oft noch aus lange vergangenen Zeiten. Auch aus diesem Grund setzen viele Anleger im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld auf althergebrachte Lösungen, die keinen optimalen Ertrag bringen und passen ihr Verhalten den veränderten Marktbedingungen nur zögerlich oder gar nicht an.

Mehr dazu hier: Trotz niedriger Zinsen – Anleger bleiben Sparbuch treu

In der Studie heißt es dazu so treffend wie lapidar: “Was früher einmal richtig war, kann heute durchaus falsch sein.” Von Lüde führt das so aus: “Heuristiken helfen den Menschen, den (komplexen) Alltag zu bewältigen, pragmatisch zu agieren und handlungsfähig zu bleiben. Bei Finanzanlagen können tradierte Heuristiken, die in anderen historischen Kontexten ihre Berechtigung hatten, insbesondere im Hinblick auf langfristige Anlagen allerdings zu Fehlentscheidungen führen.”

Wer den Pfennig nicht ehrt

Typische Muster, die jeder kennt sind: “Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, “Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert”, “Kleinvieh macht auch Mist“, “Schulden sind böse”, Sparen ist in dieser Gedankenwelt gut, Ausgeben ist schlecht: „Kinder lernen, dass es wichtig ist, beim Einkaufen auf jeden Cent zu achten und kein Geld zu verschwenden“, heißt es in der Studie.

Warum sind viele Anleger nach wie vor so empfänglich für vereinfachende Finanztipps? Die Autoren bringen es auf den Punkt: “Das Gehirn agiert als kognitiver Faulpelz. Der Mensch tendiert zur ressourcenschonenden, vereinfachenden und schematischen Informationsverarbeitung.” Die Ökonomie des Gehirns und die Ökonomie der Märkte passen – gelinde gesagt – nicht per se zusammen.

Welche Alternativen sind hier gefragt

Unter dem Motto “Wissen ist der beste Verbraucherschutz” haben manche Verbände schon vor geraumer Zeit gefordert, das ökonomische Grundverständnis bereits in den Schulen zu fördern (hier). Die Autoren der aktuellen Studie unterstreichen das: “82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass das Thema Finanzbildung in die Schule gehört.”

Von Lüde betont: „Das allgemeinbildende Schulsystem darf diesen zentralen gesellschaftlichen Bereich der Finanzbildung nicht länger ignorieren.” Weil der sogenannte ‘Finanz Analphabetismus’ im Grunde “einem Ausschluss aus auch nur rudimentären Zugängen zum Finanzmarkt gleichkommt.”

Milliardenverluste!

Was für frühere Generationen vielleicht noch richtig war, kann heute zu nicht unerheblichen Verlusten führen. Nach Berechnungen der DZ Bank haben sich die Zinsverluste der privaten Haushalte zwischen 2010 und 2014 auf knapp 112 Milliarden Euro summiert. Das sind pro Bundesbürger 1400 Euro.

Zur Studie

Herausgeber: Union Asset Management Holding AG. Erhebungsmethode: Qualitatives, exploratives Forschungsverfahren, bei dem professionelle Interviewer unter wissenschaftlicher Begleitung mit über 30 Familien zwei- bis dreistündige Gespräche führten. Dabei wurden Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel aus allen sozialen Schichten befragt, um eine möglichst breite Abdeckung verschiedener Bevölkerungsgruppen zu erzielen. Ausgewertet wurden die Interviews anschließend über eine qualitative Inhaltsanalyse.

Anschließend wurden mit sieben Jugendlichen noch Einzel- und Gruppengespräche durchgeführt, um sozial erwünschtes Antwortverhalten im Rahmen der Familiengespräche aufzufangen. Familieninterviews sind eine etablierte Methode zum Beispiel in der Gesundheits- und Präventionsforschung (z. B. Nordmann, E. / Kötter, S., 2008: Standardisierte Formen des Familieninterviews). Bei Studien zum Finanzverhalten sind sie noch weitgehend unbekannt.


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  • Illustration: Sparbuch mit Geldscheinen: © Günter Slabihoud / Fotolia.com