Interview: Wie sind Genussrechte vom Gesetzgeber geregelt?

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Dr. Matthias Gündel ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Gesellschafter der Kanzlei Gündel & Kazorke.  Mit regelmäßigen Veröffentlichungen zu Spezialthemen des Kapitalmarktrechts hat die Kanzlei sich nicht nur in der Fachpresse einen Namen gemacht. Wir haben mit Dr.  Gündel ein Interview zum Thema Genussrechte geführt.

Herr Dr. Gündel, was sind eigentlich Genussrechte?

Bei der Genussrechtsbeteiligung erhält der Anleger für das zur Verfügung gestellte Kapital in der Regel eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens in Form einer jährlichen Ausschüttung sowie üblicherweise auch am Verlust des Unternehmens. Daneben bieten Genussrechte ein Recht auf Verzinsung und auf Rückerstattung des Kapitals. Mitgliedschaftliche Verwaltungs-, Stimm- oder Kontrollrechte erhält der Anleger nicht. Da Genussrechte gesetzlich nicht näher definiert sind, können sie weitgehend frei gestaltet und verhandelt werden. Genussrechte kann jede Gesellschaft, die ein Handelsgewerbe betreibt, unabhängig von ihrer Gesellschaftsform ausgeben – also nicht nur GmbH oder AG, sondern z.B. auch OHG oder KG – und zwar unverbrieft als schuldrechtliche Beteiligungsform wie auch wertpapierverbrieft in sog. Genussscheinen.

Derzeit wird viel über Genussrechte als Teil des unregulierten „Grauen Kapitalmarkts“ diskutiert. Sind Genussrechte tatsächlich unreguliert, obwohl es mehrere gesetzliche Regelungen für Kapitalanlagen gibt?

Grundsätzlich wird der Begriff „Grauer Kapitalmarkt“ weder den rechtlichen Rahmenbedingungen noch der Intention der Marktteilnehmer gerecht. Denn der Markt für geschlossene Fonds und damit auch für Genussrechte ist auf Anbieterseite bereits seit Juli 2005 (nach dem Inkrafttreten der allgemeinen Prospektpflicht) und auf Vertriebsseite spätestens seit Januar 2013 (Inkrafttreten des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts) umfassend reguliert worden. Die Umsetzung der AIFM-Richtlinie und das Inkrafttreten des neuen Kapitalanlagengesetzbuches (KAGB) bilden einen weiteren Regulierungsbaustein.

Ob Genussrechte unter das KAGB fallen, hängt von ihrer Ausgestaltung ab. Auch sie unterliegen dem KAGB, wenn es sich bei den Genussrechten um einen Organismus für gemeinsame Anlagen im Sinne eines Investmentvermögens handelt – also, die Beteiligung mit Gewinn- und Verlustbeteiligung ausgestaltet wurde. Weitere Voraussetzung ist, dass die Emittentin nicht operativ tätig ist.

Gibt es Ausnahmen von der Regulierung der Genussrechte durch das KAGB?

Ausnahme ist nicht der richtige Begriff. Letztendlich ist die Anwendbarkeit des KAGB immer eine Einzelfallentscheidung. Es müssen alle Kriterien für ein Investmentvermögen vorliegen. Dies ist nicht der Fall, wenn die Emittentin operativ tätig ist oder auf eine Verlustbeteiligung verzichtet.

Für Altemissionen gelten Übergangsregelungen. Ist die Genussrechtsbeteiligung seit dem 22. Juli 2013 ausinvestiert, sind die Bestimmungen des KAGB für die jeweilige Anlage grundsätzlich nicht anwendbar. Werden dagegen nach dem 22. Juli 2013 innerhalb der Übergangsfrist weitere Investitionen vorgenommen, müssen die neuen Gesetze beachtet werden.

Welche Konsequenzen hat das für Anleger, wenn ein Genussrecht nicht durch das KAGB reguliert wird?

Für den Anleger ist es natürlich von Vorteil, wenn er nicht am Verlust des Unternehmens beteiligt wird, sondern die Genussrechte so ausgestaltet sind, dass er lediglich am Gewinn des Unternehmens partizipiert.

Insoweit kommt jedoch der unternehmerische Charakter der Beteiligung durch die qualifizierte Nachrangklausel zum Tragen. Deshalb trägt auch bei Genussrechten ohne Verlustbeteiligungen der Anleger immer Finanzierungsverantwortung für das Unternehmen.

Ansonsten kann sich positiv auswirken, dass für das Unternehmen zusätzliche Kostenbelastungen, wie sie sonst mit den laufenden Anforderungen an Kapitalverwaltungsgesellschaften über das KAGB verbunden sind, entfallen. Diese müssen dann natürlich auch nicht an die Kapitalanlage bzw. den Anleger weitergegeben werden.

Unterliegen Genussrechte, die nicht durch das KAGB reguliert werden, keiner staatlichen Aufsicht?

Diese Zeiten sind längst vorbei. Emittenten und Anbieter von Vermögensanlagen wie Genussrechten fallen bereits seit 2005 unter das Prospektregime der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Seit dem 01. Juni 2012 gelten die verschärften Vorgaben des neuen Prospektrechts. Das bedeutet mehr vorgeschriebene Mindestangaben im Prospekt sowie das Erfordernis eines Vermögensanlageninformationsblattes und die erweiterte Prospektprüfung der BaFin nicht nur auf Mindestangaben, sondern auch auf den inneren Sinnzusammenhang und Verständlichkeit – mit einer verlängerten Billigungsfrist.

Außerdem gelten die Vorschriften des Vermögensanlagengesetzes zur Prospekthaftung. Das heißt, Prospektverantwortliche haften auf Übernahme der Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises und der mit dem Erwerb verbundenen Kosten. Dabei wird die Kausalität zwischen Prospektfehler und Erwerb der Vermögensanlage vermutet.

Der Emittent und Anbieter kann sich nur dann entlasten, wenn er nachweist, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben nicht kannte und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht hat.

In Sachen Transparenz gibt es seit dem 01. Juni 2012 auch für kleine Kapital- und Personengesellschaften die Pflicht, einen Jahresbericht zu erstellen. Dazu gehören Jahresabschluss, Lagebericht, Bilanzeid und Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers. Der Jahresbericht ist sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres nachzureichen und bekannt machen zu lassen.

Ist der Ruf nach „mehr Regulierung“ auch nach Inkrafttreten des KAGB sinnvoll, um Genussrechts-Anleger besser zu schützen? Welche Pläne hat die Regierung?

Vor dem Hintergrund der Insolvenz mehrerer bekannter Emissionshäuser in der jüngsten Zeit klingt dies zunächst plausibel. Es wird bei Anbietern solcher Größenordnung um eine mögliche Zulassungspflicht bei der BaFin gehen.

Auf der anderen Seite darf die Regulierung nicht so weit gehen, dass die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen gefährdet wird. Es sollte daher eine abgestufte Regulierung geben. Seitens der Bundesregierung werden derzeit Vorschläge erarbeitet für Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes.

Ob es auch zu Verboten bestimmter Produkte kommen wird, ist abzuwarten. Unterm Strich können Gesetze den Anleger aber nicht von einer eigenverantwortlichen Prüfung befreien.

Sie sollten allerdings die Voraussetzungen schaffen, dass Anleger so hinreichend transparente Informationen erhalten, dass sie überhaupt in die Lage versetzt werden, eine interessengerechte Entscheidung treffen zu können.


Weiterführende Informationen über Genussrechte und anderen Kapitalanlagen: www.gk-law.de


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