Neuro-Ökonomie: Warum uns der Umgang mit Geld (manchmal) so schwer fällt

Warum Neuro-Ökonomie? Manche Menschen tendieren beim Thema Geld zu Entscheidungen, die bei näherer Betrachtung irrational sind: Sie machen zum Beispiel Schulden, selbst wenn sie wissen, dass sie sie nicht zurückzahlen können oder verstecken ihr Geld in sog. Steueroasen und riskieren dabei eine Haftstrafe wegen ein paar tausend Euro. Manche Börsenspekulanten und Banker, aber auch Steuerhinterzieher gehen für Geld oft ganz unvernünftige Risiken ein.

Wie kommt das? Wissenschaftler des Forschungszweigs Neuro-Ökonomie sind angetreten, um diese und ähnliche Fragen zu beantworten. Der Forschungszweig ist zwar jung, weist aber schon jetzt spektakuläre Ergebnisse vor. Mit bildgebenden Verfahren untersuchen die Hirnforscher ihre Probanden, um festzustellen, welche Areale des Gehirns bei unseren wirtschaftlichen Entscheidungen involviert sind. Ihr Ergebnis: Beim Thema Geld sind wir viel häufiger unvernünftig, als uns lieb sein kann.

Neuro-Ökonomie zeigt: Das Belohnungssystem hat das Sagen

Was treibt uns dabei an? Nach Auskunft der Forscher unsere Ur-Instinkte: Geld aktiviert unser Belohnungssystem – und das hat im Gehirn das Sagen, zumindest steht es in der Hierarchie ganz oben. Mehr ist hier (meistens) mehr: Je höher der Geldbetrag, desto stärker ist das zuständige Gehirnareal – der “Nucleus accumbens” – erregt. Das ist bei Geld nicht anders als bei einem guten Essen oder beim Anblick eines attraktiven Zeitgenossen: Das Gehirn schüttet Dopamin aus – und das macht uns glücklich.

Die sogenannte “Insel” ist der zweite wichtige Bereich des Gehirns, der bei unseren Entscheidungen eine Rolle spielt – nämlich bei der Wahrnehmung von Schmerzen. Die Insel ist aktiv, wenn es unangenehm wird. Und sie schaltet sich ein, wenn wir unser Geld verlieren. Daher versucht jeder Mensch instinktiv, diese Schmerzen zu vermeiden und das ist der Grund, warum uns der Verlust von Geld oder anderen wertvollen Dingen so weh tut. Ist ein Verlust zu erwarten, wird ein weiterer Bereich aktiviert – die Amygdala ist für die emotionale Einschätzung einer Situation zuständig.

Mit einfachen Worten: die Amygdala entscheidet, ob wir vor etwas Angst haben oder nicht.  Hirnforscher haben gezeigt, dass diese Region bei Verlusten sehr aktiv ist. Erregt wird die Amygdala auch schon bei der puren Möglichkeit eines Verlustes! Und das beeinflusst unsere Entscheidungen oft maßgeblich. 

Rationale Überlegungen oder Dopamin-Kick?

Was ist die Grundlage unseres Handelns? Rationale Überlegungen? Nach Ansicht der Forscher ist es oft eher die Aussicht auf einen Dopamin-Kick, unterschwellige Angst oder Schmerzvermeidung. In unserem Gehirn regieren dann die Emotionen. Die Hirnregionen, die für Entscheidungen zuständig sind, kommen dann kaum noch zum Zuge. Wenn das Belohnungssystem anspringt, schaltet sich das Denken oft genug ab.

Das zeigen einschlägige Experimente der Neuro-Ökonomie. Ein Beispiel: Passanten wurden vor die Wahl gestellt, ob sie jetzt gleich fünf Euro einstecken wollen … oder zwanzig Euro in zwei Wochen. 80% verzichten auf fünfzehn Euro und nehmen den Fünfer. Das Belohnungssystem hatte zugeschlagen – denn die unmittelbare Belohnung wirkte einfach stärker.

Doch das System lässt sich mit einfachen Mitteln überlisten! Die Formulierung entscheidet: Wir geben Ihnen in zwei Wochen zwanzig Euro! Aber wenn Sie möchten, können Sie auch jetzt gleich etwas bekommen, aber nur fünf Euro! Lautet die Formulierung so, zeigen sich die Versuchspersonen geduldiger. Eine einfache Änderung in der Reihenfolge – der höhere Betrag wird zuerst genannt – wirkt Wunder.

Die Forscher erklären, dass die Einleitung des Prozesses entscheidet, worauf sich das Gehirn fixiert. Werden zuerst die fünf Euro genannt, ist die Aussicht auf die lange Wartezeit so negativ besetzt, dass selbst der höhere Betrag das nicht mehr wettmachen kann.

Mehr Aufwand – mehr Belohnung!

Schlagen uns unsere Gefühle also regelmäßig Schnippchen? Ein weiteres Experiment legt dies nahe. Wissenschaftler beobachteten Probanden mithilfe der bildgebenden Verfahren beim Lösen von Rechenaufgaben. Der Befund: Bei schwierigen Aufgaben waren die Areale des Belohnungssystems viel aktiver als bei vergleichsweise einfachen. Es scheint – so die Forscher – einen Zusammenhang zwischen Aufwand und Belohnung zu geben.

Ein höherer Aufwand führt zu einer höheren “Belohnung”. Je mehr (Denk-)Arbeit wir in eine Sache investieren, desto mehr Entschädigung erwarten wir. Verlieren wir bei einer Lotterie, nehmen wir den Verlust gelassener hin, als bei einer Versteigerung, bei der wir viel mehr Aufwand betrieben haben.

Gewinnen verschafft gute Gefühle. Das ist der Grund warum auch ansonsten vernünftige und anständige Personen bei der Steuererklärung mogeln. Es mag dabei sogar um lächerliche Beträge gehen – nicht die Höhe entscheidet über den Kick, sondern der erhoffte Sieg in einem Spiel.

Neuro-Ökonomie zu Gerechtigkeit und Fairness

Ganz neu sind die Befunde der Forscher indes nicht. Der englische Philosoph David Hume befand bereits im 18. Jahrhundert, dass der Verstand eine Sklavin der Gefühle sei. Mit Blick auf die Finanzmärkte und die Eurokrise sind solche Ergebnisse ernüchternd und lassen nur das Schlimmste befürchten. Aber eine weitere Studie macht Hoffnung. Amerikanische Wissenschaftler konnten zeigen, dass unser Belohnungssystem auch einen Sinn für Gerechtigkeit und Fairness hat. Die Studie zeigte, dass das Areal auch dann aktiv wird, wenn die Gerechtigkeit eines Gewinns im Vordergrund steht. In diesem Fall spielt die Höhe der Summe nur noch eine nachrangige Rolle.

Was also tun? Die Neuro-Ökonomie gibt selbst einen Fingerzeig: Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass Geld unseren Verstand vernebeln kann, dann können wir uns diese Einsicht zunutze machen, um dagegen anzugehen. Außerdem zeigen weitere Ergebnisse der Neurologen, dass unsere Bauchentscheidungen keinen generellen Makel haben – oft führen sie sogar zu ganz vernünftigen Ergebnissen. Das kann sogar bei Entscheidungen für Kapitalanlagen gelten. Mehr dazu lesen Sie unter dem nachfolgenden Link: Kopf oder Bauch? Wem soll man trauen?


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